Arbeiten und Leben

Stütensen
Aus dem (Arbeits-)Leben auf dem Bauckhof Stütensen: Wir suchen Verstärkung in der pädagogischen Gruppenbetreuung und Anne gibt hier einen Einblick in ihren Alltag!

Den Bauckhof Stütensen als Zuhause erleben

Gleich vorweg: Wir suchen Verstärkung - wer nach dem Lesen auf den Geschmack gekommen ist, der sollte sich die Stellenanzeige einmal anschauen und bei geeigneter Qualifizierung sich unbedingt bewerben.

Anne Ragwitz vergleicht das Leben im Großen Haus mit einer Großfamilie: „Jeder hat seinen Auftrag in der Hausgemeinschaft, weil es sonst nicht funktioniert. Mit einem Kind klappt das Zusammenleben auch, wenn die Eltern alle Aufgaben übernehmen. Bei drei oder mehr Kindern sieht das schon anders aus, da muss jedes Familienmitglied etwas zum Alltag beitragen. Und so ähnlich ist das bei uns auch!“

Allerdings haben es die sozialpädagogischen Mitarbeiter:innen hier nicht mit Kindern zu tun, sondern mit erwachsenen Menschen mit Assistenzbedarf. Anne und ihre Kolleg:innen unterstützen dabei, Strukturen gemeinsam zu bestimmen, den Alltag zu gestalten. Das Wichtigste dabei ist, dass jeder seinen Lebensort – Zimmer, Wohnzimmer – so nutzen und gestalten kann, das er sich hier zuhause fühlt. Im Alltag werden die Aufgaben im Haushalt auf alle Bewohner:innen verteilt. „Wir haben alle sechs bis acht Wochen unseren Hausabend, an dem wir gemeinsam festlegen was ansteht und wer welche Aufgaben übernimmt“, erklärt Anne. „Wer kocht den Kaffee für alle, wer deckt den Tisch, schneidet das Obst fürs Müsli, holt die Milch … und nach dem Frühstück: Wer räumt danach alles wieder auf? Wischt die Tische ab, fegt den Fußboden? Alles solche Kleinigkeiten – und weil alle über den Tag ihre Aufgabe haben, bekommen wir einen überschaubaren Alltag zusammen hin.“

Im Großen Haus haben 14 Menschen mit Assistenzbedarf ihr Zuhause auf dem Bauckhof Stütensen gefunden. Jede Bewohner:in hat ihr eigenes Zimmer, manche auch zwei oder ein Appartement, das geteilt wird. Die unterschiedlichen Häuser in der Hofgemeinschaft bieten verschiedene Wohnmöglichkeiten. „Wir haben auch Paare, die zusammenleben und Paare, die in unterschiedlichen Häusern wohnen und sich lieber besuchen“, berichtet Anne. „Der Tag ist klar strukturiert, vor allem unter der Woche durch die Arbeit in den unterschiedlichen Bereichen. Die Mahlzeiten nehmen wir wochentags gemeinsam ein, abends gibt es auch mal gesonderte Verabredungen, ebenso an den Wochenenden. Seit Corona essen wir mittags im Großen Haus, da im Speisesaal mit Abstandsregelungen nicht genug Platz zur Verfügung steht. Das Essen bekommen wir von der Hofküche gebracht.“

Das Große Haus hat ein gemeinsames Wohnzimmer und ein Kaminzimmer, das besonders im Winter gerne genutzt wird. Das sind Treffpunkte für gemeinsame Aktivitäten. „Und wir haben das Glück, dass wir hier im Haus auch den großen Saal haben, wo Tischtennis oder Billard gespielt werden kann oder Filmabende stattfinden.“ Die Freizeitbeschäftigung gehört auch zum Alltag, der betreut wird – am Abend oder am Wochenende. Für manche ist Freizeit zu haben ganz leicht, für andere ist es schwieriger etwas zu finden, das sie interessiert. Durch die corona-bedingten Einschränkungen gerade während der harten Lockdowns waren die Aktivitäten sehr eingeschränkt. Alles hat sich stärker auf die einzelnen Häuser konzentrieren müssen, das war vor Corona nicht so.

Die Theatergruppe konnte erhalten werden und hat im Sommer draußen geprobt. Es gab auch eine Handarbeitsgruppe, aber die externe Person, die sie angeleitet hat, kommt seit Beginn der Pandemie nicht mehr. Bei der Trommelgruppe ist ein Mitarbeiter eingesprungen, der ebenfalls schon lange in der Gruppe mitgetrommelt hat – so kann sie weiterhin stattfinden. Mittlerweile ist wieder ein Stück mehr Alltag zurückgekehrt, aber noch ist nicht alles wieder beim Alten. Dazu kommen ganz normale Veränderungen, die bedingen, dass sich eine Wohngruppe neu finden muss. „Wir haben im vergangenen Jahr drei neue, noch sehr junge Bewohner:innen bekommen. Drei andere Menschen aus unserem Haus sind innerhalb des Bauckhofes umgezogen.“ Die Alterspanne unter den Hausbewohner:innen beträgt bis zu 45 Jahre. Die Jüngste ist 19 Jahre alt, die Älteste wird 65 Jahre. „Und dann kommt sowas wie: Werd doch mal erwachsen. – Will ich aber gar nicht. - Musst du aber, musste ich auch“, gibt Anne ein Gespräch wieder. „Und dann haben wir das Thema hier auf dem Tisch. Erwachsen werden. Da stellen sich dann Fragen wie: Was bedeutet es, erwachsen zu werden oder zu sein? Was sind meine Pflichten, wo sind meine Freiheiten? Was ist denn, wenn ich das gar nicht will, erwachsen sein? Da sind wir auch manchmal außen vor, weil die Gespräche unter den Generationen es klären können.“ Klingt alles wie im normalen Leben und das ist es auch. Die Abnabelungsprozesse von den Eltern, das Lernen von Verantwortung für das eigene Leben. Anne und ihre Kolleg:innen bieten nur einen unterstützenden Rahmen, damit ihre Menschen mit Assistenzbedarf ein weitgehend selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen können. „Wir sind dazu da, diese Prozesse zu begleiten und das gemeinsame Leben schön zu gestalten. Dafür einen Rahmen zu geben, dass jeder seine Bedürfnisse wahrnehmen kann. Manchmal müssen wir sprachlich ein bisschen vermitteln.“

Dazu gehören Unterhaltungen nach dem Feierabend der Bewohner:innen, wenn es Sorgen und Probleme gibt oder Aktivitäten zu planen sind: Vom Arztbesuch bis zum Möbel shoppen, von der Geburtstagsfeier bis zur Urlaubsplanung. „Wenn für unsere Bewohner:innen der Feierabend beginnt, um 17 Uhr, dann fängt unsere Arbeit an“,  so Anne. Dazu gehört auch zu sehen, wie es dem Einzelnen geht – was kann eine Gemeinschaft jetzt, so kurz nach Feierabend, erwarten? Nicht gleich zu fordern, den Bewohner:innen Zeit und Freiraum zum Runterkommen geben, bevor die nächsten Aufgaben und Themen anstehen. „Sprechen können wir bei Bedarf auch nach dem Abendessen. Wir verabreden uns dann.“

Wie ist es eigentlich zu arbeiten, wenn andere Feierabend oder Wochenende haben? Anne lacht. „Normal. Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Naja, wenn ich den September so anschaue, da hatten wir hier viele Geburtstage. Also war jedes Wochenende gefühlt eine Party. Wie waren im Theater und auf einem Konzert. – Wer hat denn so einen Arbeitsplatz? Von dem du sagen kannst: Heute haben wir eine Party gemacht. Das ist schon was Besonderes! – Da ist die Arbeit, das innere Halten, wie gestalte ich eine Geburtstagsfeier, damit sich alle wohlfühlen und alle Spaß haben, die Spaß haben wollen? Es kommt uns als Mitarbeiter:innen schon alles sehr nah, weil wir in dem Zuhause der Menschen, die wir betreuen, arbeiten. Das ist schön, aber auch fordernd. Das Wichtigste ist: Das ist nicht unser Arbeitsplatz, sondern das Zuhause der Menschen, die hier Wohnen. Wir werden ein Teil davon.“ (Beitrag aus dem Jahresrundbrief 2022)